Verein Blickkontakt

     Interessensgemeinschaft sehender, sehbehinderter und blinder Menschen

Wo bleibt die Barrierefreiheit für blinde und sehbehinderte Menschen?

3. Dezember – Tag der Menschen mit Behinderung: Komitee für Mobilität sehbeeinträchtigter Menschen Österreichs zeigt Defizite auf
Seit Monaten hören und lesen wir, dass ab 1. Jänner 2016 alle Barrieren beseitigt sein müssen. Diese Forderung ist nicht neu! Die Wirtschaft hat zehn Jahre Zeit gehabt die notwendigen Maßnahmen umzusetzen. Und dennoch wird Anfang 2016 diese gesetzliche Forderung noch immer nicht erfüllt sein. „Das Bewusstsein für die Anforderungen blinder und sehbehinderter Menschen in Zusammenhang mit barrierefreier Gestaltung ist oft noch nicht ausreichend vorhanden“, so Dr. Markus Wolf, Vorsitzender des Komitees für Mobilität sehbeeinträchtigter Menschen Österreichs (KMS). „Oft wird bei Barrierefreiheit nur an Stufenlosigkeit gedacht. Aber auch Menschen mit Sehbehinderungen und blinde Menschen sind auf eine Reihe baulicher und gestalterischer Voraussetzungen angewiesen.“ 

Zwei-Sinne-Prinzip

Das KMS weist anlässlich des Tages der Menschen mit Behinderung darauf hin, dass Sichtbares für Menschen mit Sehbehinderungen, die sich primär mit dem (reduzierten) Sehsinn orientieren, besonders gut und deutlich sichtbar gemacht werden muss. Für blinde Menschen, die visuelle Eindrücke kaum bis gar nicht wahrnehmen, muss der Informationsgehalt des Sichtbaren auch durch einen zweiten Sinn gut erfassbar gemacht werden. „Viele von diesen Maßnahmen (intuitiv erfassbare visuelle und taktile Orientierungssysteme, visuelle und taktile Absicherung von Hindernissen, etc.) erhöhen zudem die Mobilität und Sicherheit im Straßenverkehr und öffentlichen Raum für alle Menschen. „Geräuscharme Fahrzeuge, die nicht mehr rechtzeitig wahrgenommen werden können, sind ebenfalls eine extrem gefährliche neue Barriere für blinde und sehbehinderte Menschen, sofern sie nicht hörbar gemacht werden“, so Wolf.
Erst das Zusammenspiel der verschiedenen Aspekte von Barrierefreiheit (Stufenlosigkeit, Bewegungsraum, Orientierungsmöglichkeiten, Sicherheitsvorkehrungen, etc.) ergeben ein wirklich inklusives bauliches Umfeld und damit gesellschaftliche Partizipationsmöglichkeit für alle Menschen. Daher ist es unbedingt erforderlich, im Kontext barrierefreien Bauens und Gestaltens, ein wesentlich größeres Augenmerk auf Maßnahmen im Sinne blinder und sehbehinderter Menschen zu legen, als es derzeit der Fall ist.

„Für schon bestehende Barrieren brauchen wir dringend eine Gesetzesänderung, wir brauchen dringend einen Beseitigungsanspruch. Dass nach einer erfolgreichen Schlichtung oder Klage die Barriere noch immer nicht beseitigt werden muss, sondern nur ein viel zu geringer Schadenersatz bezahlt wird, ist nicht im Sinne einer inklusiven Gesellschaft. Dies kann nicht die Intention des Gesetzgebers gewesen sein, der sich regelmäßig für eine inklusive Gesellschaft äußert“, so Wolf abschließend.
Komitee für Mobilität sehbeeinträchtigter Menschen Österreichs (KMS)
Das KMS ist eine österreichweite organisationsübergreifende Arbeitsgemeinschaft der Vereine Blickkontakt – Interessensgemeinschaft sehender, sehbehinderter und blinder Menschen, Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich (Vorsitz 2015), Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs und Österreichische Blindenwohlfahrt.
2. Dezember 2015

erstellt am 04.12.2015 von Martin Oblak

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