Allgemeines
Bis 2016 waren alle Verkehrslichtsignale mit akustischen und taktilen Signalgebern in Wien mit einem Drucktaster ausgestattet, durch dessen Betätigung das akustische Grünsignal zugeschaltet werden konnte. Ab 2016 begann jedoch die Magistratsabteilung 33, welche für Bau und Instandhaltung von Verkehrslichtsignalanlagen zuständig ist, mit der Errichtung von Anlagen, deren akustisches Grünsignal nur noch selektiv mit Chip oder Eurokey ausgelöst werden konnte. Nicht zuletzt aufgrund Zahlreicher Beschwerden blinder und sehbehinderter Menschen Veranstaltete die MA33 am 18.01.2017 sowie am 01.03.2017 groß angelegte Workshops, um mit einer großen Zahl an Personen, welche an der Thematik interessiert sind, eine Lösung zu erarbeiten, welche eine breitestmögliche Akzeptanz unter den Benutzern der Akustikampeln ermöglichen und zugleich die laut MA33 häufigen Beschwerden von Anrainern minimieren sollte. Anzumerken ist allerdings, dass eine Veröffentlichung der Einladung in der vereinsunabhängigen Mailingliste Donaukurier, welche von vielen Menschen mit Sehbeeinträchtigung abonniert wird, nicht gewünscht wurde, „da wir der Ansicht sind, dass dadurch angesprochene Personen, nicht maßgebend zum Gelingen der Veranstaltung beitragen (können)“, So Walter Mimmler von der MA33 in einem Mail vom 27.12.2016. Dementsprechend war zur Verwunderung der MA33 vor allem jene geringe Anzahl an Nutzern der Akustikampeln bei den Workshops anwesend, welche sich bereits zuvor in der einen oder anderen Form mit der Thematik auseinandergesetzt haben
Im Vorfeld und während des ersten Workshops sah es noch so aus, als gäbe es unter den Vertretern der blinden und sehbehinderten Menschen völlige Einigkeit darüber, jegliche Form der selektiven Auslösung für Wien abzulehnen, denn „“Jede andere Lösung untergräbt die selbstständige Verkehrsteilnahme blinder und sehbehinderter Menschen und so letztlich die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer“, so Dr. Markus Wolf, Vorsitzender des KMS.“ (Zitat aus der Presseaussendung des Komitees für Mobilität sehbeeinträchtigter Menschen vom 1. 12. 2016 mit den bezeichnenden Titel „Weg mit Euro-Key und Chip bei akustischen Ampeln“, welche von Blickkontakt maßgeblich mitgestaltet wurde, nachzulesen unter
https://www.bizeps.or.at/weg-mit-euro-key-und-chip-bei-akustischen-ampeln/.
Statt jedoch diese Position bis zum Schluss mitzutragen, stimmte das KMS letztlich einer Lösung zu, welche während des zweiten Workshops von der MA33 überraschend als „Kompromissvorschlag“ vorgestellt wurde mit dem Nachsatz, weiter könne man nicht gehen. Hierbei soll mittels Chip oder Eurokey das akustische Signal für zwei Rot-Grün-Umläufe auf die Lautstärke von 80 Dezibel eingestellt werden können, wobei den Teilnehmern zugesichert wurde, dass die Lautstärke der Akustikampeln, wie sie derzeit üblich ist, nicht verringert wird. Dies findet sich auch im Protokoll des zweiten Workshops wieder, in dem es klar heißt: „Blindenakustik wird nicht leiser gedreht!“. Entgegen dieser Vereinbarung kommunizierte die MA33 in zahlreichen Pressemitteilungen das genaue Gegenteil, was bereits an den jeweiligen Überschriften klar wird, etwa „Wiens Blindenampeln werden leiser“, nachzulesen unter
https://wien.orf.at/news/stories/2828996/.
In diesem Artikel findet sich unter anderem folgender Satz: „Die neuen Blindenampeln werden um 10 bis 20 Prozent leiser sein als jetzt, wenn man sie, wie bisher, per Tastendruck aktiviert, sagte Walter Mimmler von der MA 33.“ Pikanter Weise wurde diese Meldung bereits zwei Tage nach Abschluss des Workshops herausgegeben, obwohl an sich zwei Wochen als Frist vereinbart worden waren, ob man dem „Kompromiss“ nun zustimmen werde oder nicht. Siehe hierzu auch den Artikel „Versperrte Ampeln in Wien: Geplanter Kuhhandel mit den Blindenampeln“, nachzulesen unter
https://www.bizeps.or.at/versperrte-ampeln-in-wien-geplanter-kuhhandel-mit-den-blindenampeln/.
Während der Verein Blickkontakt und die Bürgerinitiative Elektra bis zuletzt jede Form der Auslösung mittels Chip und Eurokey konsequent abgelehnt haben, findet sich dies nun In jener kürzlich geschlossenen Vereinbarung der Stadt Wien mit dem KMS, welche gravierende Verschlechterungen für sämtliche Nutzer der Akustikampeln, besonders aber für jene sehbeeinträchtigten Menschen zur Folge hat, die zusätzlich hörbehindert sind oder jene, welche sich erstmals in fremder Umgebung alleine orientieren möchten. Um dies analysieren zu können, stießen wir allerdings auf folgende Hürde:
– Die Vereinbarung ist merkwürdiger Weise unter mehreren Links in verschiedenen Formaten zu finden:
o Im Brailletter des BSV-WNB ist folgender Link angegeben:
www.blindenverband-wnb.at/fileadmin/user_upload/artikelbilder/pdf/Vereinbarung_KMS_barrierefrei.pdf.
Der durchsuchbare Text des hier verlinkten PDF-Dokumentes enthält zahlreiche Fehler und ist mittels Screenreader somit nur mangelhaft lesbar, was auf einen ungenauen Scan und/oder eine schlechte Software zur Texterkennung zurückzuführen ist.
o Die Hilfsgemeinschaft hat indes den Artikel „Akustische Ampeln in Wien schützen Betroffene und schonen Anrainerohren“ veröffentlicht, in welchem folgender Link zu einer mittels Screenreader einwandfrei lesbaren Version der Vereinbarung im .docx-Format enthalten ist:
https://www.kms.or.at/docs/Vereinbarung_KMS_MA33.docx.
Analyse der und Kommentare zur Vereinbarung
– Die Vereinbarung selbst geht im Wesentlichen auf das Dokument „Ergebnisse und Festlegungen“ zurück, das von der MA33 bereits am 08.03.2017 an die Teilnehmer der Workshops ausgesandt wurde. Im Folgenden wird auf die einzelnen Punkte näher eingegangen:
– In Punkt 1 wird die Verwendung der hilfsmittelfreien Vorortauslösung erwähnt, nicht jedoch die Tatsache, dass diese bis Ende 2015 ohnehin bereits Standard war, da ja erst ab 2016 begonnen wurde, ohne Wissen blinder und sehbehinderter Menschen Akustikampeln zu installieren, welche nur mittels Chip oder Eurokey ausgelöst werden können und welche nun laut Vereinbarung umgerüstet werden.
Interessanter Weise hat der Satz „Im Falle einer Vorortauslösung außerhalb der Nachtabschaltung wird eine akustische Freigabe für einen Umlauf an der Anlage generiert, welche eine Lautstärke aufweist, die im mittleren, bzw. unteren Bereich der ÖNorm V2101 angesiedelt ist“, welcher im Dokument „Ergebnisse und Festlegungen“ vom 08.05.2017 noch zu finden ist, keinen Eingang in die seitens der Stadt Wien und den Mitgliedsvereinen des KMS unterzeichnete Vereinbarung gefunden. Dies mag auf den ersten Blick positiv erscheinen, ebenso wie die Aussage „In jedem Fall wird eine Lautstärke realisiert, die blinden und sehbeeinträchtigten Personen das gefahrlose Queren sichert“, jedoch liegt diesen Aussagen keinerlei Substanz zugrunde, da das sichere Queren bereits bisher in einigen Fällen nicht möglich war, wobei nun, wie bereits beschrieben, zusätzlich seitens der MA33 klar festgelegt wurde, zukünftige Akustikampeln um 10 bis 20 Prozent leiser einzustellen als bisher. Trotz dieser eindeutigen Festlegung wurde Blickkontakt seitens der Stadt Wien folgendes mitgeteilt: „Hierbei handelt es sich um eine Missinterpretation, welche bereits gegenüber dem Kuratorium für die Mobilität sehbeeinträchtigter Menschen (KMS) richtig gestellt werden konnte. In der Vergangenheit wurden Blindenakustiken nach der Erstinbetriebnahme – zumeist von Ihnen persönlich – als zu leise bemängelt. Um diese Vorwürfe hintanzuhalten, wurden in den Jahren 2015 und 2016 um 10-20% lauter eingestellt, als in den Jahren zuvor. Mit der Lauterschaltung durch Chip oder Schlüssel können wieder die, in Wien bis 2014 angewandten Werte erstversorgt werden.“ (Mail vom 23.05.2017). Wer genau wir persönlich sein soll, ließ sich genauso wenig eruieren wie die konkreten Anlagen, welche ab 2015 lauter gestellt worden sein sollen. zumal auch die Stadt Wien folgendes feststellt: „Da die Begehung (oder wie es in der Vereinbarung heißt: BLAK Kommission) erst mit Unterschrift der Vereinbarung ins Leben gerufen wurde, kann es im Jahr 2016 noch gar keine Begehungen gegeben haben.“ (Mail vom 22.06.2017) Der von der Stadt Wien in diesem Zusammenhang verwendete Begriff der „Einstellung auf Normlautstärke“ ist irreführend, da die Spannbreite der einstellbaren Lautstärke laut ÖNorm V-2101 von 30 bis 80 Dezibel reicht, also auch jene Lautstärke umfasst, welche nun mittels Chip oder Eurokey für zwei Umläufe aktiviert werden kann.) Die Reduktion der Lautstärke, egal in welchem Umfang, widerspricht jedoch der im Rahmen der Workshops getroffenen Festlegung, wonach keine Akustikampeln leiser gedreht werden. Vor allem aber erschwert sie das Auffinden des jeweiligen Ampelmasten weiter, das bereits derzeit aufgrund der Lautstärkenanpassung an den Umgebungslärm eine große Hürde darstellt, da die Entfernung zur Geräuschquelle an deren Lautstärke abgeschätzt wird, dazu wäre es jedoch wichtig, dass deren Geräuschemission konstant bleibt. Hinzu kommt, dass laut Informationen der Stadt Wien ausschließlich jene Akustikampeln mit taktilen Bodeninformationen ausgestattet werden, bei welchen die akustischen Signale zeitweise abgeschaltet werden, vor Allem in der Nacht, vereinzelt jedoch auch an Sonn- und Feiertagen. Dies umfasst auch jene Anlagen, welche in der Nacht als Gesamtes abgeschaltet werden, bei welchen also auch der Farbbetrieb außer Kraft gesetzt wird. Nichts desto Trotz sind Blickkontakt Akustikampeln bekannt, an denen trotz Nachtabschaltung der Akustik nach wie vor keine TBI verlegt wurden, beispielsweise an der Kreuzung Radetzkyplatz oder der Kreuzung Quellenplatz, um nur zwei Beispiele zu nennen. Des Nächtens ist somit das Auffinden dieser Ampelmasten nicht einmal mittels taktiler Bodeninformationen möglich, wenn schon das akustische Signal vollständig abgeschaltet wird, obwohl das optische Signal der Ampel weiterhin aktiv bleibt.
– Der verein Blickkontakt fordert die konsequente Umsetzung der Verlegung taktiler Bodeninformationen bei Ampelanlagen mit Nachtabschaltung der Akustik und/oder der gesamten Ampel d.h. auch des Farbbetriebes, sowie dort, wo aufgrund von abgeflachten Gehsteigkanten der Niveauunterschied zwischen Gehsteig und Fahrbahn unter 3 cm liegt und somit kaum bis gar nicht mehr als Solcher zu erkennen ist, weshalb die Abgrenzung des Gehsteigs zur Fahrbahn nur mittels taktilen Bodeninformationen möglich ist. Gleichzeitig betonen wir, dass die Verlegung von taktilen Bodeninformationen zu keinem Zeitpunkt die Abstrahlung akustischer Signale ersetzt, diese ist in jedem Fall vorzuziehen, da es sich bei akustischer Wahrnehmung, ebenso wie bei Optischer, um einen Fernsinn handelt und die akustischen Signale der Ampelanlagen eindeutig als Solche zu erkennen und somit intuitiv nutzbar sind.
Dass nun mittels Chip und Eurokey ein akustisches Signal von zwei Umläufen zugeschaltet werden können soll, wie es in Punkt 2 der Vereinbarung heißt, und dass dieses Signal nach Punkt 3 keine Umgebungslautstärkenanpassung aufweist, mag manchen als Vorteil erscheinen, allerdings wurde verabsäumt, die Lautstärke dieses Signals in der Vereinbarung schriftlich festzuhalten, weshalb nun unklar ist, welche Lautstärke dieses in der Praxis nun tatsächlich aufweisen wird – der Verein Blickkontakt sowie die Bürgerinitiative Elektra sprechen sich hier klar für eine Lautstärke von mindestens 60 Dezibel aus. Im Übrigen ist die in Punkt 2 getroffene Formulierung „Im Falle einer alternativen Auslösung, während der Nachtabschaltung, wird eine akustische Freigabe für zwei Umläufe an der Anlage generiert“ irreführend, da des Nächtens eine Auslösung mittels Drucktaster nicht möglich ist – die Auslösung mittels Chip oder Eurokey ist somit alternativlos! Ungeklärt bleibt weiters die Frage, ob die Akustikanlagen nun um 6 Uhr wieder eingeschaltet werden oder bereits um 5 Uhr, wie dies in diversen Presseaussendungen der MA33 zu lesen war.
– Somit wurde ein Teil der selektiven Auslösung, welche bei allen 2016 errichteten Anlagen generell geplant war, einfach auf die Nacht verlagert, weshalb die geplante Umsetzung nach wie Vor dem Grundsatz von Barrierefreiheit klar widerspricht, wie er etwa in §6 Absatz 5 des Bundesbehindertengleichstellungsgesetzes zu finden ist, der folgendermaßen lautet: „Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere
Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.“ (Quelle:
https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20004228)
– Im Rahmen des zweiten Workshops der MA33 vom 01.03.2017 brachten der Verein Blickkontakt sowie die Bürgerinitiative Elektra den Kompromissvorschlag ein, im Rahmen der Nachtabschaltung, welche im Übrigen von diesen beiden Gruppen grundsätzlich abgelehnt wird, die zwei Umläufe des akustischen Signals mittels jenes Funksenders zu generieren, welcher in der ÖNORM V 2103 beschrieben ist und der in vielen anderen Bundesländern verwendet wird. dies entspräche zwar nach wie vor nicht der Definition von Barrierefreiheit, würde aber zumindest in der Nacht das Problem der Auffindbarkeit des jeweiligen Ampelmasten für jene Menschen lösen, die über einen derartigen Sender verfügen. Dieser Vorschlag wurde jedoch seitens der MA33 abgelehnt, weshalb dieses gravierende Problem ungelöst bleibt.
– Zusätzlich zur Verringerung der Lautstärke soll die verzögerte Vorortauslösung getestet werden. Wir begrüßen zwar ausdrücklich, dass jene Anlagen in der Begegnungszone der Mariahilfer Straße auf Auslösung mittels Druckknopf mit drei Sekunden Verzögerung umgestellt werden sollen, welche bisher ausschließlich mit Chip und Eurokey ausgelöst werden konnten – dies entspricht einer langjährigen Forderung unsererseits. Für den Regelbetrieb halten wir dies jedoch für nachteilig, zumal die derzeit geplante Reduktion der Lautstärke bei hilfsmittelfreier Vorortauslösung ohnehin eine weitere Barriere darstellt.
Partizipation
Während im Rahmen der Workshops seitens der MA33 noch versucht wurde, eine breitere Partizipation von Menschen mit Behinderungen zu ermöglichen, werden nun das KMS bzw. dessen Mitgliedsorganisationen als alleiniger Ansprechpartner für sämtliche diesbezügliche Fragen angesehen, was besonders aus den divergierenden Formulierungen zu Punkt 8 klar hervorgeht: hieß es im Dokument „Ergebnisse und Festlegungen“ noch: „Seitens der Vertretungen der blinden und sehbeeinträchtigen Personen wird der Stadt Wien eine eMailadresse bekannt geben, über welche Termine und Einladungen zu Neuinbetriebnahmen von Blindenakustiken kommuniziert werden.“, wurde diese Formulierung in der Vereinbarung ausschließlich auf das KMS zugeschnitten: „Seitens des KMS wird der Stadt Wien die E-Mailadresse office@kms.or.at bekannt gegeben, über welche zukünftige Termine und Einladungen (2 Wochen vor Inbetriebnahme) zu Neuinbetriebnahmen von Blindenakustiken kommuniziert werden.“ Dies ist äußerst problematisch, da das KMS laut interner Richtlinien die Partizipation vereinsfremder Personen lediglich im Rahmen von Taskforces d.h. auf der untersten von drei hierarchischen Ebenen ermöglicht, und auch dies nur, wenn diese zuvor die rigiden Richtlinien des KMS unterzeichnet hat, inklusive dem Passus, das im KMS besprochene Dinge nicht nach außen kommuniziert werden dürfen. Dies hat den Ausschluss zahlreicher, an dieser Thematik interessierter Menschen zur Folge, welche nun aktiv an jeglicher Partizipation gehindert werden, weshalb die Mitglieder des KMS, das im Übrigen nach wie vor keine Rechtsperson darstellt, keinesfalls das vollständige Spektrum an Meinungen blinder und sehbehinderter Menschen Repräsentiert. In wie weit im Oktober 2017 ein Erfahrungsaustausch, wie er in Punkt 10 der Vereinbarung angedacht ist, tatsächlich stattfinden kann, wird sich erst zeigen, zumal eben dieser Erfahrungsaustausch seitens des KMS in der Zwischenzeit nicht gewünscht wird. Dies geht auch klar aus dem Artikel „Akustische Ampeln in Wien schützen Betroffene und schonen Anrainerohren“ hervor, in welchem Herr Dr. Elmar Fürst mit den Worten zitiert wird: „Das KMS wird künftig als alleiniger Ansprechpartner für diese wichtige Thematik fungieren und sich auch weiterhin für sinnvolle Lösungen einsetzen.“
Artikel des KMS – Ungereimtheiten und unglückliche Formulierungen
Ungereimtheiten bestehen indes zwischen dem Text der Vereinbarung und dem Artikel „Akustische Ampeln in Wien schützen Betroffene und schonen Anrainerohren“, welcher von der Hilfsgemeinschaft im Namen des KMS in diversen Medien veröffentlicht wurde, nachzulesen unter
https://www.bizeps.or.at/akustische-ampeln-in-wien-schuetzen-betroffene-und-schonen-anrainerohren/.
Darauf wird im Folgenden näher eingegangen:
– In diesem Artikel wird eine Gesamtanzahl von „rund 900 Akustikampeln“ angeführt, die MA33 spricht in diversen Presseaussendungen von 889 Akustikampeln. Die Gesamtanzahl der in Wien errichteten Akustikampeln, welche Blickkontakt aufgrund der Liste auf der Webseite der Stadt Wien, zu finden unter
https://www.wien.gv.at/verkehr/ampeln/signale/standorte/,
ermittelt hat, beträgt jedoch nur 725. Diese Differenz von 164 Ampeln lässt sich auch mit dem veralteten Letztstand der Liste nicht erklären (die letzten Einträge stammen aus Anfang 2016), da laut Informationen der Stadt Wien jedes Jahr lediglich 20 bis 40 Ampelanlagen mit Akustik ausgestattet werden. Auf Nachfrage machte die Stadt Wien dazu folgende Angaben: „In den letzten Jahren wurde die Statistik der BLAKen aufgearbeitet und bereinigt und mehrere Anlagen zu einer einzigen zusammengeführt, aber einzelne auch auf mehrere Anlagen aufgeteilt. Der Zuwachs an BLAK ist kein absoluter Wert. Darüber hinaus wurden Anlagen modernisiert, die bereits vor 2007 über eine BLAK verfügt haben. Aufgrund der Modernisierung, dem Einsatz von neuen Technologien und Anwendung aktueller Normen haben wir uns erlaubt, diese Anlagen den Neuen hinzuzurechnen. (Mail der Stadt Wien vom 22.06.2017). Diese Aussagen bieten aus unserer Sicht kaum Zuwachs an Transparenz – für die Ermittlung der Gesamtzahl ist letztlich unerheblich, wann eine Akustikampel errichtet oder modernisiert wurde. Interessant wäre in diesem Zusammenhang auch zu erfahren, wie viele Akustikampeln derzeit tatsächlich mit taktilen Bodeninformationen ausgestattet wurden – laut Analyse der bereits erwähnten Liste (Stand: Anfang 2016) handelt es sich um 312 von 725 Ampelanlagen, wobei die Gesamtanzahlen nirgendwo zu finden sind und daher von Blickkontakt selbst ermittelt werden mussten. Wir würden es ausdrücklich begrüßen, wenn tatsächlich die Akustiken von 413 Ampelanlagen durchgehend d.h. auch in der Nacht aktiv wären (diese Zahl müsste inzwischen weiter gestiegen sein), halten dies jedoch aufgrund unserer Erfahrungen für unrealistisch. Generell ersuchen wir die Stadt Wien, die Nachvollziehbarkeit ermittelter Zahlen und Statistiken umfassend zu gewährleisten.
Inzwischen hat die Stadt Wien die fehlende Wartung der liste eingestanden und angekündigt, sie werde diese zeitnah aus dem Netz nehmen. Abgesehen von der Dehnbarkeit des Begriffes zeitnah war von der notwendigen Aktualisierung der liste jedoch nicht die Rede.
– In besagtem Artikel des KMS findet sich die Aussage, alle Akustikampeln, welche vor 2016 errichtet worden sind d.h. über keine Vorrichtungen für Chip und Eurokey verfügen, werden schrittweise bis 2020 nachgerüstet. In der Vereinbarung ist davon jedoch nichts zu finden, hingegen heißt es unter Punkt 5, dass ausschließlich jene Anlagen nachgerüstet werden, bei welchen kein Kompromiss zwischen Anrainern und Nutzern der Anlage gefunden werden kann. Darüber hinaus kann das KMS die Umrüstung beantragen, bei welchen die MA33 eine Nachtabschaltung vorsieht.
Neben dieser Abweichung finden sich zahlreiche gelinde gesagt unglücklich gewählte Formulierungen:
Bereits die Überschrift ist aus mehreren Gründen problematisch:
– Das Wort Blindenakustik ist ein Anachronismus, der fälschlicher Weise suggeriert, dass akustische Signale ausschließlich von blinden Menschen genutzt werden. Die Errichtung von sogenannten Blindenakustiken war zwar seinerzeit ein enormer Fortschritt, widerspricht jedoch klar dem Konzept von Design for all sowie dem Mehrsinneprinzip, demzufolge eine Anlage grundsätzlich so ausgestattet werden muss, dass deren Benutzung mit mehreren Sinnen möglich ist.
– Die Formulierung „schützen Betroffene“ ist irreführend, da Eine Ampel keinerlei Schutzfunktion zu bieten hat; deren Zweck ist es vielmehr, dem jeweiligen Verkehrsteilnehmer zu signalisieren, ob er nun queren darf oder nicht, eine Akustik muss darüber hinaus in der Lage sein, den jeweiligen Nutzer akustisch über die Fahrbahn zu führen, dies hat jedoch mit Schutz nichts zu tun.
– Die Formulierung „und schonen Anrainerohren“ suggeriert implizit, dass Menschen mit Sehbeeinträchtigung keine Anrainer sind bzw. sich keinesfalls von Akustikampeln oder anderen Geräuschquellen gestört fühlen können, dies ist jedoch nicht richtig. Umgekehrt wird das akustische Freigabesignal unwissentlich von jenen Personen ausgelöst, welche man wohl laut dieser fälschlichen Definition zu den Anrainern d.h. zu jenen Menschen ohne Sehbeeinträchtigung zählen müsste – Anrainer regen sich so gesehen über Anrainer auf, Leidtragende dieses Phänomens sind jedoch die tatsächlichen Benutzer der Akustikampel, welche diese bewusst auslösen. Dabei muss es sich keineswegs ausschließlich um Personen mit Sehbeeinträchtigung handeln, sondern um Personen, welche die Akustik auslösen möchten und nicht fälschlicher Weise glauben, durch das Betätigen des Knopfes schneller oder länger grün zu erhalten – diese Diskussion geht zum Großteil auf die geringe Belastbarkeit der Knöpfe zurück – in zahlreichen anderen Ländern ist das akustische Signal dem Optischen vollständig gleichgestellt, daher fallen sämtliche Diskussionen um die Abnützung mechanischer Bauteile von vorn herein weg.
Bezüglich des ungewollten Auslösens der Akustik ist folgendes Festzuhalten: das Piktogramm, welches an jeder Akustikampel angebracht ist, ist missverständlich gestaltet – zu sehen ist der Schriftzug „nur für“, danach ist ein Piktogramm eines Menschen mit weißem Stock zu sehen. Das Piktogramm gleicht somit jenen Symbolbildern, welche auch in öffentlichen Verkehrsmitteln zu finden sind. Dies ist hier jedoch problematisch, da keinerlei Aussage über die Funktionsweise getroffen wird, außerdem ist die Person mit Blindenstock häufig nicht als Solche erkannt worden – die Palette der Interpretationen reicht von einem K bis zu einem Mann mit Gewehr. Daher machte Blickkontakt im Rahmen des ersten Workshops der MA33 den Vorschlag, das Piktogramm dahin umzugestalten, dass die Funktion des Knopfes klar hervorgeht und auch erkenntlich wird, dass dessen Betätigung keinerlei Auswirkung auf die Phasenregelung hat – eine Maßnahme, die zahlreiche Auslösungen würde vermeiden können. Dies wurde jedoch seitens der MA33 abgelehnt, da man dies zuerst in der entsprechenden ÖNORM ändern müsse. Uns ist jedoch nicht bekannt, dass das Piktogramm zur Kennzeichnung von Akustikampeln genormt wäre, zumal Normen ohnehin nicht bindend sind und man hier mit verhältnismäßig wenig Aufwand viel erreichen könnte. Pikanter Weise gilt die Normentreue der MA33 nicht für die Vereinbarung mit den Mitgliedsvereinen des KMS, da hier die entsprechende Önorm (V2101) nur äußerst Selektiv beachtet wird: Die Norm wurde erst 2015 überarbeitet, enthält jedoch aus gutem Grund keinerlei Hinweis auf eine selektive Auslösung mittels Chip oder Eurokey, dennoch wurde Seitens der MA33 2016 mit der Umsetzung derartiger Anlagen begonnen.
Fazit
Der Verein Blickkontakt sowie die Bürgeriniziative Elektra stimmen der getroffenen Vereinbarung aus den genannten Gründen nicht zu, da dies, entgegen der Aussage des Herrn Dr. Wolf, keinerlei Fortschritt bezüglich der Umsetzung der UN-Konvention für Menschen mit Behinderungen erzielt wird (nachzulesen unter
https://wien.orf.at/news/stories/2842806/),
sondern genau das Gegenteil, nämlich eine „Zweiklassenampel“ realisiert wird, was der Definition von Barrierefreiheit, wie sie auch im Bundesbehindertengleichstellungsgesetz zu finden ist, klar zuwiderläuft. Gleichzeitig bleiben zahlreiche Probleme gänzlich ungelöst oder wurden völlig außer Acht gelassen – neben den bereits erwähnten Kalamitäten sind dies etwa die enorm wichtige Frage der einmal Jährlichen Wartung, inklusive schnellstmöglichem Austausch sämtlicher defekter Komponenten (diesbezüglich gab es seitens der Ma33 verschiedene Aussagen), weiters die Problematische Querung von Gleiskörpern mit Rot-Gelb-Anlagen, teils mit unzureichend hörbaren Glockensignalanlagen, teils ohne jeglicher Signalisierung, das Einbiegen von Straßenbahnen auf grüne bzw. grün bekommende Schutzwege (permissivsignal), die nach Rüstung sämtlicher Anlagen der Firma Swarco, sodass der Drucktaster bei jeder Grünphase vibriert und nicht nur nach vorheriger Betätigung, und vieles, vieles mehr.
Ungeachtet unserer Kritik ist uns die weitere Partizipation am Prozess der Ausgestaltung der Anlagen ein großes Anliegen, daher ersuchen wir die Stadt Wien dies auch jenen Menschen zu ermöglichen, welche nicht im Rahmen des KMS tätig sind.
Mit freundlichen Grüßen
Mathias Schmuckerschlag
Leiter des Fachbereiches Mobilität und Infrastruktur des Vereines Blickkontakt
DSA Monika Weinrichter
Initiative Elektra
David Klein
Yasemin Acur